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Erster Verbandstag des Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine e.V. in Berlin - Moderne Arbeitnehmerbesteuerung und Digitalisierung im Mittelpunkt des Interesses
Berlin (BVL). Das Digitale ist in unseren Alltag eingebettet. Die Bewältigung der Digitalisierung ist eine große Herausforderung. Das sieht auch der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine (BVL) so, der seinen Verbandstag in Berlin unter das Thema „Moderne Arbeitnehmerbesteuerung und Digitalisierung“ gestellt hat. Der Verband begreift die Digitalisierung als Chance, wie auch die Ausführungen von Dr. Michael Meister (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, deutlich machten. Der Staatssekretär lobte die Lohnsteuerhilfevereine für ihre konstruktive Mitarbeit im Rahmen der Gesetzgebung zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens sowie für ihre Vorreiterrolle bei der Übermittlung elektronischer Steuererklärungen.
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens habe die Bundesregierung den nötigen gesetzlichen Rahmen für die Digitalisierung im Bereich der Steuerverwaltung geschaffen, sagte Dr. Meister. Zielsetzung des Gesetzes sei, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die rechtstaatlichen Erfordernisse des Steuervollzugs bei verstärkter Nutzung der Informationstechnik zu sichern. Jetzt gelte es, die Maßnahmen des Gesetzes Schritt für Schritt umzusetzen. Dies sei ein Prozess, der wahrscheinlich bis in die übernächste Legislaturperiode ins Jahr 2022 hineinreichen werde, machte der Staatssekretär deutlich.
„Bei der Bearbeitung von Steuerdaten bewegen wir uns auf einem hochsensiblen Feld. Wie in den letzten Wochen wieder bewusst geworden ist, bedrohen uns weltweit Cyber-Angriffe“, sagte Dr. Meister. Cyber-Kriminalität mache auch vor staatlichen IT-Systemen nicht halt. Daher müsse bei sensiblen Daten und Systemen alles Erforderliche für die Datensicherheit und die Sicherheit der Systeme getan werden. „Da geht Sorgfalt vor Eile“, betonte der Staatssekretär.
Gut 100 Tage vor der Bundestagswahl standen führende Vertreter und Finanzexperten der im Bundestag vertretenen Parteien in einer von BVL-Sprecher Ingo Bettels moderierten Podiumsdiskussion Rede und Antwort. Nach Einschätzung von Fritz Güntzler (CDU), Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages, wird die Gestaltung des Einkommensteuertarifs auch in der nächsten Wahlperiode eine Rolle spielen. Der Spitzensteuersatz greife bei einem zu versteuernden Einkommen von 54.000 Euro zu früh. Neben einer weiteren Entlastung unterer und mittlerer Einkommen bestehe auch beim Spitzensteuersatz Handlungsbedarf. Das sieht auch Carsten Schneider, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, so. Auch Schneider skizzierte den Kurs seiner Partei, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Er sprach von einer möglichen Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Die daraus erzielten Einnahmen sollten zur Entlastung unterer Einkommen verwendet werden. Klaus Ernst, Fraktions-Vize der Linken im Bundestag, referierte die steuerpolitische Vorstellungen seiner Partei. Das steuerfreie Existenzminimum solle auf rund 12.000 Euro angehoben werden. Ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent solle ab einem zu versteuernden Einkommen von 70.000 Euro gelten. Ab einem Jahreseinkommen von 260.000 Euro solle ein Steuersatz von 60 Prozent, ab einer Million von 75 Prozent eingeführt werden. Auch die Grünen sprechen sich – so ihr Finanzausschussmitglied Dr. Thomas Gambke - für einen höheren Freibetrag und einen erhöhten Spitzensteuersatz ab 100.000 Euro aus.
Wenig Spielraum für größere Steuerentlastungen für Arbeitnehmer in der kommenden Legislaturperiode sieht Professor Jürgen Brandt, Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages. Der Staat brauche Geld für Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Der Richter am Bundesfinanzhof formulierte als „bescheidenen Wunsch“ transparente und möglichst wenig in sich widersprüchliche Gesetze. BVL-Geschäftsführer Uwe Rauhöft betonte, dass über die Diskussion um Steuertarife hinaus die Besteuerungsgrundlagen beachtet werden müssen. Bei der Einkommenbesteuerung seien als Grundsätze das Nettoprinzip, der progressive Steuertarif und die Gleichbehandlung der Einkunftsarten zu beachten. Abweichungen von diesen Grundsätzen widersprächen der Steuergerechtigkeit.
Diese Grundsätze sieht BVL-Vorsitzender Jörg Strötzel durch aktuelle Entwicklungen bei der Modernisierung der Besteuerungsverfahren gefährdet. Die Nutzung elektronischer Medien für Steuererklärung und Steuerbescheid sei zügig und bundesweit auszubauen. Bei der Automation in Verbindung mit weitgehendem Belegverzicht müsse die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbständigen bei der Veranlagung sichergestellt werden. Hierzu gehörten ein wirksames Risikomanagement und ergänzende Stichprobenprüfungen. Bei der Beseitigung von Medienbrüchen dürften Aufwand und Risiken aber nicht einseitig auf die Steuerpflichtigen und deren Berater verlagert werden, machte Strötzel deutlich.
Hans Daumoser, der nach der Fusion der beiden Spitzenverbände BDL und NVL zusammen mit Jörg Strötzel das Führungs-Tandem des Bundesverbandes Lohnsteuerhilfevereine (BVL) bildet, hob vor den 200 Gästen des Verbandstages die Bedeutung der zu Jahresbeginn vollzogenen Fusion hervor. Durch eine gemeinsame Dachorganisation könnten die Interessen der Arbeitnehmer sowie der Lohnsteuerhilfevereine besser vertreten werden.
Der BVL vertritt die Interessen von mehr als 300 Mitgliedsvereinen, bundesweit rund 9000 Beratungsstellen sowie mehr als drei Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.